Treu bis der Tod uns scheidet
Zur Jahreswende 2009/2010 hat sich meine Frau einem anderen Mann zugewandt und ist ausgezogen. Knapp drei Jahre später hat sie ihren neuen Partner standesamtlich geheiratet. Für mich war das – nach fast 25 Jahren Ehe – die größte Katastrophe meines Lebens. Bei der Eheschließung hatte ich meiner Frau versprochen, sie zu lieben, zu achten und zu ehren, „bis dass der Tod uns scheidet“. Wir hatten es beide ernst gemeint. An der Gültigkeit unserer sakramentalen Ehe besteht deshalb kein Zweifel.
Unsere vier Kinder haben sich der neuen Situation – soweit man das „von außen“ beurteilen kann – gut angepasst. Trotzdem dürfte die Trennung ihrer Eltern auch bei ihnen Spuren hinterlassen haben, vor allem deshalb, weil sowohl meine Frau als auch ich in verschiedenen Funktionen unseren Glauben offen und öffentlich praktiziert hatten. Wenn bei scheinbaren „Vorzeige-Christen“ die Ehe „kaputt geht“, wie kann man dann überhaupt noch am Lebensmodell Ehe und insbesondere dem katholischen Eheverständnis festhalten?
Mir ist bewusst, dass meine Frau nicht ohne Grund gegangen ist. Ihre Unzufriedenheit über die Entwicklung unseres Ehelebens hatte sich über einen längeren Zeitraum vor der Trennung angestaut. Dass unsere Beziehung nicht mehr gut „funktionierte“ und die Gefühle immer weiter abkühlten, habe ich irgendwie registriert, aber nicht wirklich ernst genommen. Vor allem habe ich das Ausmaß der Unzufriedenheit nicht erkannt. Ich dachte, dass sich äußere Belastungen auf unsere Ehe negativ auswirkten, insbesondere Belastungen aus der beruflichen Tätigkeit meiner Frau. Ohne es groß zu reflektieren, erwartete ich, dass sich die „schlechte Stimmung“ wieder verflüchtigen werde. Doch dann stand ich plötzlich vor vollendeten Tatsachen: Meine Frau hatte sich in einen anderen verliebt. Bevor sie diesen Umstand offenbarte, hatte meine Frau mit mir nie ernsthaft über ihre Unzufriedenheit gesprochen.
Ich fühlte und fühle mich deshalb um die Chance der Veränderung und des Neuanfangs betrogen. In den ersten Wochen war ich innerlich sehr erschüttert und haderte auch mit meiner christlichen Glaubensüberzeugung. Ich konnte mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens allein zu verbringen. Und selbst in katholischen Kreisen ist die Meinung verbreitet, dass man nach einer Wiederheirat des geschiedenen Ehepartners „gleichziehen“ und sich ebenfalls eine neue Partnerin bzw. einen neuen Partner suchen dürfe.
Mir war aber schon bald klar, dass dieser Weg für mich nicht in Betracht kam. Eine neue Beziehung und ggf. Wiederheirat stünde im Gegensatz zu meinem Eheversprechen. Wer eine zweite Beziehung eingeht oder ein zweites Mal heiratet, verstößt gegen die Unauflöslichkeit der Ehe, auch wenn er von seinem Ehepartner verlassen wurde und die Trennung eigentlich nicht wollte. Das Zusammenleben mit einem neuen Partner widerspricht immer dem Treueversprechen, das man gegenüber seinem sakramentalen Ehepartner abgegeben hat.
Auch der am Scheitern der Ehe tatsächlich oder vermeintlich „unschuldige“ Ehe-partner ist und bleibt gebunden, weil er es vor Gott – besiegelt im Sakrament der Ehe – versprochen hat. Er kann nicht <br />seinerseits die Treue aufkündigen und eine neue Beziehung eingehen, weil er meint, sein Ehepartner sei endgültig vom rechten Weg abgekommen. Er muss vielmehr für die Umkehr des „schuldigen“ Ehepartners offenbleiben, denn für Christen kann es kein definitives und unkorrigierbares Scheitern geben.
Was ist, wenn meine Frau irgendwann zu der Erkenntnis kommt, dass Umkehr und Versöhnung doch der richtige Weg sind? Was ist, wenn sie in fünf oder zehn Jahren vor der Tür steht und sagt: „Mir ist nach ernster Gewissenserforschung klar geworden, dass ich mein Versprechen, das ich Dir vor dem Altar gegeben habe, halten muss. Ich will mit Gottes Hilfe einen Neuanfang machen.“ Dann möchte ich nicht sagen müssen: „Das freut mich irgendwie sehr, aber es ist zu spät, ich habe wieder geheiratet. Meine Frau sitzt im Wohnzimmer“
Ich habe mich bewusst dafür entschieden, an der ehelichen Treue festzuhalten, und diese Entscheidung seither nie bereut. Christsein bedeutet nicht das Fürwahr halten einer Lehre, sondern tatsächlich gelebte Nachfolge. Es geht darum, das eigene Leben so zu gestalten, dass es dem Vorbild Christi entspricht. Die Treue und Opferbereitschaft Christi ist für mich die Richtschnur, nach der ich mein Leben gestalten will. Deshalb hat mich die Trennung nicht aus der Bahn geworfen. Mein Glauben und meine Christusbeziehung haben sich vielmehr vertieft
„Unauflöslichkeit der Ehe“ kann nichts Anderes bedeuten als das, was sich die Eheleute bei der Eheschließung versprechen: „… bis dass der Tod uns scheidet“. Jesus war und ist treu, treu bis in den Tod. Christliche Eheleute müssen deshalb ebenfalls treu sein – nicht, weil es ihnen von anderen als Last auferlegt wird, sondern weil sie es selbst versprochen haben.
Christusnachfolge ist manchmal schwer und bedeutet, „sein Kreuz auf sich zu nehmen“ (Mt 10,38). Das kann ich bezeugen. Aber es lohnt sich. Diesen Weg kann jeder gehen. Der Austausch mit Menschen, die in gleicher Weise betroffen sind und sich ebenfalls für den Weg des Glaubens entschieden haben, ist dabei eine große Hilfe
Rainer