SACRAMENTUM CARITATIS
Auszug Nr. 29
Eucharistie und Unauflöslichkeit der Ehe
29. Wenn die Eucharistie die Unwiderruflichkeit der Liebe Gottes in Christus zu seiner Kirche ausdrückt, wird verständlich, warum sie in Beziehung zum Sakrament der Ehe jene Unauflöslichkeit einschließt, nach der sich jede wahre Liebe unweigerlich sehnt. [91] Darum ist die pastorale Aufmerksamkeit mehr als gerechtfertigt, die die Synode den schmerzlichen Situationen gewidmet hat, in denen sich nicht wenige Gläubige befinden, die sich nach einer sakramentalen Trauung haben scheiden lassen und eine neue Verbindung eingegangen sind. Es handelt sich um ein dornenreiches und kompliziertes pastorales Problem, eine wahre Plage des heutigen sozialen Umfelds, die in zunehmendem Maße auch auf katholische Kreise übergreift. Die Hirten sind aus Liebe zur Wahrheit verpflichtet, die verschiedenen Situationen genau zu unterscheiden, um den betroffenen Gläubigen in angemessener Weise geistlich zu helfen. [92] Die Bischofssynode hat die auf die Heilige Schrift (vgl. Mc 10,2-12) gegründete Praxis der Kirche, wiederverheiratete Geschiedene nicht zu den Sakramenten zuzulassen, bestätigt, weil ihr Status und ihre Lebenslage objektiv jener Liebesvereinigung zwischen Christus und seiner Kirche widersprechen, die in der Eucharistie bedeutet und verwirklicht wird. Die wiederverheirateten Geschiedenen gehören jedoch trotz ihrer Situation weiter zur Kirche, die ihnen mit spezieller Aufmerksamkeit nachgeht, in dem Wunsch, dass sie so weit als möglich einen christlichen Lebensstil pflegen durch die Teilnahme an der heiligen Messe, wenn auch ohne Kommunionempfang, das Hören des Wortes Gottes, die eucharistische Anbetung, das Gebet, die Teilnahme am Gemeindeleben, das vertrauensvolle Gespräch mit einem Priester oder einem geistlichen Führer, hingebungsvoll geübte Nächstenliebe, Werke der Buße und den Einsatz in der Erziehung der Kinder.
Wo berechtigte Zweifel an der Gültigkeit der sakramental geschlossenen Ehe aufkommen, muss das Notwendige unternommen werden, um deren Fundierung zu überprüfen. Sodann ist es nötig, unter voller Beachtung des kanonischen Rechts [93] das Vorhandensein kirchlicher Gerichte im jeweiligen Gebiet sowie ihren pastoralen Charakter und ihr korrektes und schnelles Handeln sicherzustellen. [94] Für eine zügige Arbeitsweise der kirchlichen Gerichte bedarf es in jeder Diözese einer ausreichenden Anzahl entsprechend ausgebildeter Personen. Ich erinnere daran, dass es „eine dringende Pflicht ist, den Gläubigen das institutionelle Wirken der Kirche in den Gerichten immer näher zu bringen.“ [95] Es ist jedoch unbedingt zu vermeiden, dass die pastorale Sorge als Gegenposition zum Recht missdeutet wird. Man sollte vielmehr von der Voraussetzung ausgehen, dass der grundlegende Berührungspunkt zwischen Recht und Pastoral die Liebe zur Wahrheit ist:
Diese ist nämlich niemals abstrakt, sondern „fügt sich in den menschlichen und christlichen Weg jedes Gläubigen ein.“ [96] Wo schließlich die Ehenichtigkeit nicht anerkannt wird und objektive Bedingungen gegeben sind, die das Zusammenleben tatsächlich irreversibel machen, ermutigt die Kirche jene Gläubigen, ihre Beziehung entsprechend den Anforderungen des Gesetzes Gottes als Freunde, wie Bruder und Schwester, zu leben; so können sie – unter Berücksichtigung der bewährten kirchlichen Praxis – wieder am eucharistischen Mahl teilnehmen. Damit ein solcher Weg möglich ist und fruchtbar wird, muss er durch die Hilfe der Seelsorger und durch geeignete kirchliche Initiativen unterstützt werden, wobei in jedem Fall zu vermeiden ist, diese Verbindungen zu segnen, damit unter den Gläubigen keine Verwirrungen in bezug auf den Wert der Ehe aufkommen. [97]
Angesichts der Vielschichtigkeit des kulturellen Umfelds, in der die Kirche in vielen Ländern lebt, hat die Synode zudem empfohlen, in der Vorbereitung der Brautleute und in der vorausgehenden Prüfung ihrer Ansichten über die für die Gültigkeit des Ehesakraments unverzichtbaren Verpflichtungen größte pastorale Sorgfalt walten zu lassen. Durch eine ernsthafte Klärung in diesem Punkt kann vermieden werden, dass emotive Impulse oder oberflächliche Gründe die beiden jungen Leute dazu führen, Verantwortungen zu übernehmen, denen sie dann nicht gerecht werden können. [98] Das Gute, das die Kirche und die ganze Gesellschaft von der Ehe und der auf sie gegründeten Familie erwarten, ist zu groß, um sich in diesem spezifischen pastoralen Bereich nicht bis zum Grunde einzusetzen. Ehe und Familie sind Einrichtungen, die gefördert und gegen jegliches Missverständnis bezüglich ihrer Grundwahrheit verteidigt werden müssen, denn jeder Schaden, der ihnen zugefügt wird, ist in der Tat eine Verletzung, die dem menschlichen Zusammenleben als solchem beigebracht wird.
Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 22. Februar, dem Fest der Kathedra Petri, im Jahr 2007, dem zweiten meines Pontifikats.